Schönheitsideale ändern sich, ebenso wie die Mode. Als die Mode im Laufe der Zeit verschiedene Ideale ausgerufen hat, hat sie damit auch unterschiedliche Frauentypen für „schön“ erklärt. Oder
anders gesagt, die Mode jeder Epoche steht einem bestimmten Bodytype besonders gut. Dementsprechend lösten sich Fashion Icons ab, wenn sich die Mode änderte.
Natürlich waren auch Frauen, die nicht dem jeweiligen Schönheitsideal entsprachen berühmt, beliebt und galten vielleicht auch als 'schön'. Aber wir interessieren uns im Moment nicht für Talent,
Star Quality oder objektiv gutes Aussehen. Wir wollen uns die Mode der letzten 118 Jahre unter dem Gesichtspunkt der Bodytypes ansehen. Bevor Sie weiterlesen: Wenn Sie es noch nicht gesehen
haben, sehen Sie sich bitte meine ersten drei Blogs zum Thema Bodytypes an, in denen ich sie erkläre.
1900
Die Ära des Gibson Girls. Lassen wir uns nicht von extremen Stundenglasfigur ablenken, das bekommt man mit Korsett hin. Abgesehen von der Taille - welcher Bodytype weist diese kräftigen, vollen Gesichtszüge auf? Die runden Schultern, den kräftigen Knochenbau? Die vollen, gewellten Haare, das Gesicht, das durchaus asymmetrisch sein darf? Die Größe von 170 oder mehr? Wir haben es mit einer Natural zu tun. Das war der Schönheitsideal der Jahrhundertwende. Frauen, die anders gebaut waren, hatten es definitiv schwer, mit diesem Ideal mitzuhalten und hielten sich vielleicht für graue Mäuse.
1915
In der Mitte der Zehnerjahre war das Korsett verschwunden, die Linien wurden verschwommener und das Gesicht rückte in den Mittelpunkt der Gesamterscheinung. In dieser Ära galten Classics als
schön. Perfekte, symmetrische Gesichter, perfekt ausbalancierte Proportionen brauchte diese tendenziell formlose Mode, um schön zu sein. Eine berühmte Ikone der Zeit war Isadora Duncan, die wir
hier fast nackt sehen dürfen. Sehen Sie, wie ausgewogen und damenhaft diese Frau war?
1925
In den 1920er Jahren landen wir mitten in der Charlston Ära und dem Flapper Dress. Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass Frauen damals schmal, dünn und groß sein wollten. Das Gegenteil ist
der Fall. Die Mode jener Zeit feierte den Typ der Gamines, genaugenommen der Soft Gamines. Echte 20er Jahre Mode sieht am besten aus, wenn Frauen eher klein sind, rundliche Schultern und Konturen
und kurze Beine haben. Die Ausstrahlung wollte nicht sexy, fraulich oder elegant sein, sondern mädchenhaft, abenteuerlustig, unernsthaft. Zum ersten Mal trugen Frauen Make Up und sehen Sie, was
die Gesichter repräsentieren: träge, abfallende Augenbrauen, tiefe Schatten unter den Augen, verkleinerte Lippen: Diese Look sagt: „Schau, ich habe die ganze Nacht durch getanzt.“ Vergessen
wir nicht, dies war die erste Dekade, in der die Elektrifizierung weit genug verbreitet war, um Normalbürgern ein Nachtleben zu ermöglichen. Dementsprechend wollten Frauen jung, lustig und
unausgeschlafen aussehen.
Ganz rechts ist ein heutiges Bild von einer Dramatic in einem Flapper Dress. Sehen Sie, wie 'falsch' der Look ist? Das ist einfach viel zu viel Kleid, selbst wenn wir uns den Saum auf halbe Wade
denken. Klar, dass Michelle Dockery wunderschön ist. Aber Dramatics hatten es während der Charlston Ära modisch nicht leicht.
1935
Hier erkennen wir sicher sofort, wie das Schönheitsideal sein sollte: groß, schmal, schlank. Herbe Gesichter und schmale Lippen, feine Haare und kantige Konturen - alles was noch 10 Jahre zuvor
als unhübsch gegolten hat, war plötzlich schön. Wir sehen ganz klar den Bodytype der Dramatics. Greta Garbo, Joan Crawford und Katherine Hepburn wurden zu Modeikonen, und Bette Davis, eine
Soft Gamine, blieb zwar ein Star, weil sie gut war, aber sie musste Charakterdarstellerin werden.
1945
In den Vierziger Jahren kehren wir zum Schönheitsideal der Classics zurück, diesmal zur Dramatic Classic. Die Lippen mussten voll, weil rot sein, die Haare seidig, die Gesichter symmetrisch,
damit die Victory Rolls gut wirkten. Die Statur sollte die kastige Tageskleidung ebenso gut tragen können, wie die spitzschultrige Abendmode. Elegante Frauen mit einer gewissen Kantigkeit oder
'Drama' war das Schönheitsideal. Rita Hayworth galt damals als schönste Frau der Welt.
1955
Über das Schönheitsideal der 1950er Jahre müssen wir sicher nicht viele Worte verlieren, jetzt sind Sie mir weit voraus. Nun schlägt die große Stunde der Romantics. Große, runde Augen, weiche
Locken, busenbetonte, kleine Frauen mit schmaler Taille waren das Ideal und für sie war die Mode perfekt. Jedes Element der Mode war der Taille (und damit dem Mieder) unterworfen, jede Linie war
weich und weiblich, pastellige Farben waren angesagt. Ja, natürlich hatten auch Soft Dramatics wie Sophia Loren oder Classics wie Grace Kelly ihre große Zeit, aber die wirklichen Fashion
Icons waren Jane Mansfield, Liz Taylor und natürlich Marilyn Monroe. Immer wieder wird auch Audrey Hepburn als Style Icon der 50er genannt, aber zu Unrecht. Die Kleider füllte sie nicht gut aus
und ihr 'Funny Face' passte nicht so recht zur Eleganz der Mode. Audreys große Zeit kommt erst.
1965
Die Stundenglasfigur hat ausgedient. Wir nähern uns der Hippie-Ära und ähnlich wie schon in den 20er Jahren wollten Frauen vor allen Dingen eines: bloß nicht erwachsen sein! Traue keinem über 30. Kindliche Looks, Posen und Mode war das Ideal der Zeit. Niemand konnte die gewünschte Schlaksigkeit und unberechenbare Jugendlichkeit besser repräsentieren, als Flamboyant Gamines. Zierlich, kulleräugig und auf staksigen Beinen gingen Frauen durch die Welt. Lolita, Twiggy und nun auch Audrey Hepburn waren die herrschenden Fashion Icons. Es ist die erste Dekade, an die ich mich selber gerade noch erinnere. Ich weiß noch, wie meine Mutter, eine wunderschöne Classic mit dieser Mode kämpfte. Sie sah in der herrschenden Silhouette der 60er Jahre einfach lächerlich aus. Sehen Sie die Dame rechts im Bild? Obwohl sie jung und hübsch ist und die richtige Pose macht, wirkt sie unbeholfen, irgendwie falsch. Das liegt daran, dass sie eine Natural ist und aussieht, als trüge sie das Kleid ihrer kleinen Schwester.